28.9.2021 • HBO Zentrum Bozen, Berichte
Die hyperbare Sauerstofftherapie
Die hyperbare Sauerstofftherapie (HBO) ist eine Therapieform, bei der reiner Sauerstoff unter einem im Verhältnis zum normalen Atmosphärendruck erhöhten Umgebungsdruck (Druckkammer) eingeatmet wird.
Dieser Therapie liegt das Prinzip zugrunde, den Anteil des im Blutplasma gelösten Sauerstoffs um das 12-15-fache im Verhältnis zum Normalwert zu erhöhen und damit seine Verteilung in den Körperflüssigkeiten und im Gewebe zu ermöglichen. Bei dieser Konzentration wird die Sauerstoffversorgung durch den Druckunterschied und damit durch Diffusion auch unter veränderten Transportbedingungen des in den roten Blutkörperchen an das Hämoglobin gebundenen Sauerstoffs garantiert. Die hyperbare Sauerstofftherapie kann bei der Behandlung akuter Erkrankungen entscheidend sein, indem damit die Prognose sowohl hinsichtlich des Überlebens als auch des Umfangs der Folgen verbessert wird. Bei chronischen Krankheiten spielt die HBO eine entscheidende bzw. therapieunterstützende Rolle, um eine optimale Besserung bzw. eine Behandlung von Erkrankungen zu erzielen, bei denen Sauerstoffmangel bzw. eine Infektion als Hauptkrankheitsbild anerkannt sind. Unter hyperbarer Sauerstofftherapie wird das Einatmen von Sauerstoff bei einem absoluten Druck von über 1,4 Ata verstanden. Das Einatmen von Sauerstoff bei niedrigerem Druck bzw. die Behandlung einzelner Körperteile gelten nicht als hyperbare Sauerstofftherapie und ähneln dieser auch nicht.
”Pharmakologische Aspekte des hyperbaren Sauerstoffs”
Der unter erhöhtem Druck in der Druckkammer eingeatmete Sauerstoff (O2) kann durch Diffusion die sauerstoffminderversorgten (hypoxischen) Gewebe erreichen und damit den Hämoglobintransport ersetzen.
Bei einem Patienten, der Luft einatmet (Sauerstoffkonzentration = 21 %), beträgt der alveoläre Sauerstoffpartialdruck (PpO2) etwa 100 mmHg; unter solchen Bedingungen sind etwa 0,3 ml Sauerstoff in jeweils 100 ml Blutplasma gelöst. Wird reiner Sauerstoff (Konzentration = 100 %) eingeatmet, erhöht sich der alveoläre Sauerstoffpartialdruck PpO2 auf rund 600 mmHg. Dabei sind 2,1 ml Sauerstoff in jeweils 100 ml Blutplasma gelöst. Wird reiner Sauerstoff (100 %) bei einem Druck von 2,2-2,8 Ata eingeatmet, erhöht sich der alveoläre Sauerstoffpartialdruck PpO2 auf 1500-2200 mmHg, und in 100 ml Blutplasma befinden sich etwa 6 ml gelöster Sauerstoff. Die im Blutplasma gelöste Sauerstoffmenge hat somit beachtlich zugenommen (um das 20-fache im Verhältnis zur normalen Ausgangssituation).
Mit dieser Sauerstoffmenge kann unabhängig von der am Hämoglobin gebundenen Sauerstoffmenge nicht nur der Stoffwechselbedarf der Zellen und Gewebe gedeckt werden, sondern der unter Überdruck eingeatmete Sauerstoff kann auch eine Reihe bedeutender „pharmakologischer Wirkungen“ entfalten.
”Eine multidisziplinäre Strategie”
Es ist wichtig, dass die hyperbare Sauerstofftherapie in eine multidisziplinäre und koordinierte Strategie eingebunden wird, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen.
Viel zu oft gilt die hyperbare Sauerstofftherapie als „letzte Hoffnung“, nachdem traditionelle Behandlungsformen gescheitert sind. Dabei handelt es sich um eine Therapiemethode, die die Zusammenarbeit mehrerer Fachärzte und eine rechtzeitige Behandlung erfordert, damit dem Patienten ein voller Therapieerfolg mit optimalen Ergebnissen garantiert werden kann.
Im Rahmen einer multidisziplinären Strategie wird mit Hilfe strenger Anwendungsrichtlinien und fest definierter Leitlinien das Ergebnis dieser wirksamen Therapie optimiert.
So gibt es die Europäischen Konsensuskonferenzen (ECHM) und die SIMSI/SIAARTI-Leitlinien für den klinischen Einsatz der HBO-Therapie.
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”Wirkungen des Hyperbaren Sauerstoffs”
• Behebung der Hypoxie durch die Versorgung der ischämischen Gewebe mit Sauerstoff
• Förderung der Regeneration von sauerstoffminderversorgten Zellen und Zellapparaten
• Ödemhemmende Wirkung (Gehirn, Knochenmark, Gewebe)
• Reduzierung der Blasenmenge bei Dekompressionskrankheit und Gasembolie
• Antibakterielle, bakterientötende Wirkung auf anaerobe Keime und bakteriostatische Wirkung auf aerobe Keime
• Verstärkung der Wirkung einiger Antibiotika
• Förderung der kapillaren Gefäßproliferation und der Blutgefäßneubildung in ischämischen Körpergeweben (Angiogenese)
• Beschleunigung der Abgrenzung von eindeutig nekrotischem und regenerierbarem ischämischem Gewebe
• Anregung der Gewebereparatur (ermöglicht die Reproduktion von Epithelzellen und Fibroblasten und die Produktion und Ablagerung von stabilem Kollagen)
• Förderung der Osteogenese und der Kalziumablagerung
• Förderung der Wiederherstellung der Zellstoffwechselfunktionen bei Vergiftungen durch Kohlenmonoxyd, Rauch, Zyanide und Methämaglobin
• Aktivierung der Stammzellen zur endothelialen Differenzierung aus Knochenmark